Das Toilettentraining bei Kindern mit Behinderung kann auf den ersten Blick wie eine unüberwindbare Herausforderung wirken. Doch was oft übersehen wird, ist, dass es eine Vielzahl von Mythen und veralteten Ansätzen gibt, die den Prozess unnötig erschweren. Bevor man überhaupt mit dem Training beginnt, lohnt es sich, sich mit diesen Mythen auseinanderzusetzen – denn viele davon stimmen einfach nicht.
Die größten Mythen rund um das Toilettentraining
Es gibt einige hartnäckige Aussagen, die Eltern von Kindern mit Behinderung immer wieder hören – und die oft für Verunsicherung sorgen.
Lass uns die häufigsten Mythen entlarven:
Mythos 1: „Du solltest warten, bis dein Kind zeigt, wann es bereit ist für das Toilettentraining. Du zwingst deinem Kind sonst zu viel auf.“
Fakt: Zwar ist es wichtig, die individuelle Familiensituation zu berücksichtigen und nicht zu früh zu starten*, aber „Warten“ allein führt selten zu Fortschritten. Das Toilettentraining muss bei behinderten Kindern eigentlich immer durch äußere (also deine) Motivation beginnen.
Mythos 2:„Kinder mit Behinderung können nicht trocken oder sauber werden, ein Toilettentraining ist völlig zwecklos!“
Fakt: Das stimmt einfach nihct. Jedes Kind hat das Recht auf mehr Selbstbestimmung Selbstständigkeit und eine Behinderung schließt ein Toilettentraining nicht per se aus. Es mag länger dauern oder intensivere Unterstützung erfordern, aber das Trockenwerden ist durchaus erreichbar.
Mythos 3:„Setz dein Kind einfach mit Loch in der Windel auf die Toilette, belohne es mit Gummibärchen – irgendwann klappt es dann schon!“
Fakt:Solche Ansätze greifen nicht nur viel zu kurz, sondern haben auch nichts mit Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit zutun. Effektives Toilettentraining erfordert individuell angepasste Methoden und eine klare Struktur, keine Das-Kind-überlisten-Tricks. Solche Methoden sind mittlerweile völlig überholt und veraltet.
Mythos 4: „Man sollte erst ab dem Schulalter mit dem Toilettentraining beginnen.“
Fakt:Je früher man beginnt*, desto besser. Auch kleine Schritte vor dem Schulalter können langfristig zu Erfolgen führen.
Mythos 5:„Kinder müssen sprechen können, um trocken oder sauber zu werden.“
Fakt: So ein bullshit. Kinder, die non-verbal leben können genauso trocken und sauber werden, wie Kinder, die verbal kommunizieren.
Die wahren Herausforderungen
Abseits der Mythen gibt es jedoch tatsächliche Herausforderungen, die Familien im Alltag vor dem und während des Toilettentrainings erleben:
1. Physische Barrieren und Hilfsmittel
Mobilitätseinschränkungen, Hypotonie oder fehlende geeignete Hilfsmittel können den Zugang zur Toilette erschweren. Es ist wichtig, hier individuell angepasste Lösungen zu finden – von speziellen Toilettensitzen bis zu Haltegriffen.
2. Geringe Motivation
Wenn das Kind wenig inneren Antrieb zeigt, ist es oft schwer, es zum Mitmachen zu bewegen. Kreative Anreize und Geduld sind hier gefragt.
3. Stress bei Veränderungen
Kinder mit Behinderung reagieren oft sensibel auf Veränderungen. Ein schrittweiser Ansatz mit klaren Routinen kann helfen, Stress zu minimieren.
4. Kommunikationshürden
Insbesondere non-verbale Kinder zeigen oft schwer erkennbare Signale. Hier kann es helfen, gezielt auf Körpersprache und non-verbale Hinweise zu achten.
5. Sensorische Empfindlichkeiten
Manche Kinder reagieren empfindlich auf die Umgebung einer Toilette, etwa auf Gerüche, Geräusche oder Materialien. Auch hier sind Anpassungen möglich, um eine angenehmere Umgebung zu schaffen.
6. Mangel an Informationen und Unterstützung
Viele Familien berichten von fehlender Unterstützung durch Fachkräfte und unzureichenden Informationen über geeignete Methoden.
7. Rückschläge und Frustration
Das Toilettentraining ist ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Es ist wichtig, realistische Erwartungen zu haben und sich nicht entmutigen zu lassen.
8. Zeitmangel und emotionale Belastung
Der Alltag mit einem Kind mit Behinderung ist oft schon anspruchsvoll genug. Das Toilettentraining erfordert zusätzliche Energie und Zeit, was zu Belastung führen kann. Unterstützung durch Partner*in, Familie oder Fachkräfte kann hier eine Entlastung sein.
Tipps, um das Toilettentraining erfolgreich zu meistern
1. Individuelle Anpassung:
Jedes Kind ist einzigartig, und so sollte auch der Ansatz individuell gestaltet sein. Was für ein Kind funktioniert, muss nicht für ein anderes passen.
2. Geduld und kleine Schritte:
Fortschritte kommen nicht über Nacht. Kleine Erfolge sollten gefeiert werden, um sowohl Kind als auch Eltern zu motivieren.
Unterstützung suchen:
Informiere dich über wissenschaftlich fundierte Methoden.
4. Hilfsmittel nutzen:
Von visuellen Unterstützungssystemen bis hin zu angepassten Toilettenhilfen – diese können den Prozess erheblich erleichtern.
5. Realistische Erwartungen:
Es geht nicht darum, „perfekt“ zu sein. Fortschritte können unterschiedlich aussehen, und jedes Kind hat sein eigenes Tempo.
Das Toilettentraining bei Kindern mit Behinderung erfordert Geduld, Flexibilität und ein hohes Maß an Unterstützung. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, sich nicht von Mythen leiten zu lassen, sondern auf wissenschaftlich fundierte Ansätze und individuelle Anpassungen zu setzen.
Mit der richtigen Einstellung, den passenden Hilfsmitteln und einem strukturierten Ablaufplan ist es möglich, auch diese Herausforderung zu meistern – Schritt für Schritt.
*Man sollte vor dem 3. LJ kein Toilettentraining beginnen.
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